SPORT ALS THERAPIE – WIE BEWEGUNG DEPRESSIONEN UND ÄNGSTE LINDERN KANN

Wir alle kennen das Gefühl nach einem langen Spaziergang oder einer intensiven Sporteinheit erfrischt und ausgeglichen zu sein. Doch was, wenn Bewegung mehr ist als nur eine Möglichkeit den Körper fit zu halten? Was, wenn Sport tatsächlich unser Gehirn heilen kann, insbesondere bei psychischen Belastungen wie Depressionen und Ängsten? Die Verbindung zwischen körperlicher Aktivität und psychischer Gesundheit ist längst kein Geheimnis mehr und immer mehr Studien belegen die heilende Kraft der Bewegung. Doch wie genau wirkt Sport auf unser Gehirn und warum ist er so ein kraftvolles Werkzeug zur Linderung von psychischen Beschwerden?

Die neurochemischen Effekte von Sport: Wie Bewegung das Gehirn verändert

Um zu verstehen, warum Sport eine so wichtige Rolle bei der Behandlung von Depressionen und Ängsten spielt, müssen wir einen Blick auf die chemischen Prozesse werfen, die im Gehirn ablaufen. Beim Sport werden verschiedene Neurotransmitter und Hormone ausgeschüttet, die eine direkte Wirkung auf unsere Stimmung und unsere Fähigkeit mit Stress umzugehen haben.

  • Endorphine: Sportliche Betätigung führt zur Ausschüttung von Endorphinen, auch „Glückshormone“ genannt. Diese körpereigenen Substanzen wirken wie natürliche Schmerzmittel und sorgen für ein euphorisches Gefühl, das nach dem Training oft als „Runner’s High“ bezeichnet wird. Sie reduzieren Schmerzen, verbessern die Stimmung und wirken beruhigend.
  • Serotonin: Dieser Neurotransmitter ist entscheidend für die Regulierung unserer Stimmung, des Schlafs und des Appetits. Bei Menschen, die unter Depressionen leiden, ist der Serotoninspiegel oft zu niedrig. Regelmässige Bewegung steigert die Serotoninproduktion und hilft so depressive Symptome zu lindern.
  • Dopamin: Dopamin ist ein weiterer wichtiger Neurotransmitter, der mit Motivation, Belohnung und Vergnügen in Verbindung steht. Sportliche Aktivitäten, vor allem solche, die mit Zielen und Fortschritt verbunden sind (wie Laufen, Radfahren oder Gewichtheben), steigern die Dopaminausschüttung und fördern so das Gefühl der Belohnung und Zufriedenheit.
  • Neurogenese: Bei häufiger Bewegung werden auch die Gehirnzellen angeregt neue Verbindungen zu bilden und sogar neue Zellen zu produzieren – ein Prozess, der als Neurogenese bezeichnet wird. Besonders im Hippocampus, der Region des Gehirns, die mit Gedächtnis und emotionaler Regulation in Verbindung steht, fördert Sport das Wachstum neuer Nervenzellen. Dieser Prozess spielt eine entscheidende Rolle bei der Überwindung von Depressionen und Ängsten.

Die positiven Effekte von Bewegung auf die Neurotransmitter und die neuronale Gesundheit zeigen deutlich, dass Sport weit mehr ist als nur eine körperliche Herausforderung. Es ist ein psychologisches Kraftwerk, das uns auf natürliche Weise helfen kann unsere Stimmung zu stabilisieren und unsere mentalen Ressourcen zu stärken.

Sport als natürlicher Stresskiller: Bewegung gegen Angst und Überforderung

Angstzustände und Stress sind allgegenwärtig und gehören für viele Menschen zu den grössten psychischen Belastungen. Dabei spielt das Gehirn eine zentrale Rolle, indem es auf Stressoren mit einer Kampf-oder-Flucht-Reaktion antwortet. Diese Reaktionen werden von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol gesteuert, die in akuten Gefahrensituationen unsere Leistungsfähigkeit steigern – wenn diese Hormone jedoch dauerhaft erhöht sind, können sie zu Angststörungen und anderen psychischen Problemen führen.

Die Rolle des Parasympathikus: Sport, insbesondere Ausdauersportarten wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren, hilft das parasympathische Nervensystem zu aktivieren. Dieses System ist für die Entspannung des Körpers zuständig und hilft den Geist zu beruhigen, den Blutdruck zu senken und den Cortisolspiegel zu regulieren. So wird die Kampf-oder-Flucht-Reaktion heruntergefahren und die körperliche Anspannung durch regelmässige Bewegung abgebaut.

Achtsamkeit durch Bewegung: Aktivitäten wie Yoga oder Tai Chi verbinden physische Bewegung mit Achtsamkeit und Meditation. Diese Kombination kann helfen den Fokus von belastenden Gedanken auf den eigenen Körper zu lenken und so die innere Ruhe wiederzufinden. Während Yoga und Tai Chi vor allem die Körperwahrnehmung fördern, sorgen die Atemtechniken dafür, dass die mit Stress verbundenen Spannungen gezielt abgebaut werden.

Der körperliche Stressabbau durch Sport ist ein sofortiger Vorteil, den jeder nutzen kann. Nicht nur, dass Bewegung den Körper stärker und widerstandsfähiger macht, sie sorgt auch dafür, dass das Gehirn lernt auf Stress mit einer gesünderen Verhaltensweise zu reagieren. Dies ist ein Schlüsselaspekt, um Ängste zu lindern und langfristig psychische Gesundheit zu fördern.

Praktische Ansätze: Wie Sport in die Therapie integriert werden kann

Nun, da wir die neurobiologischen und psychologischen Hintergründe der heilenden Wirkung von Sport auf das Gehirn verstanden haben, stellt sich die Frage: Wie kann Bewegung in die Therapie integriert werden, um psychische Erkrankungen wie Depressionen und Ängste zu lindern? Es folgen einige Ansätze, die sich in der Therapie als hilfreich erwiesen haben:

  1. Strukturiertes Bewegungstraining: Es ist wichtig, dass Bewegung nicht als spontane Aktivität, sondern als strukturierter Bestandteil eines therapeutischen Plans betrachtet wird. Für viele Menschen mit Depressionen oder Angstzuständen kann es anfangs schwer sein sich zu motivieren. Hier kann ein Trainingsplan helfen häufig Bewegung in den Alltag zu integrieren. Selbst eine halbe Stunde spazieren gehen oder leichtes Joggen pro Tag kann signifikante Verbesserungen im Wohlbefinden bewirken.
  2. Bewegung als Teil von Therapieprogrammen: In vielen modernen Therapieansätzen, wie der kognitiven Verhaltenstherapie oder der achtsamkeitsbasierten Therapie, wird Sport als ergänzender Bestandteil genutzt. Hier können Patienten nach einer Sitzung aktiv in Bewegung treten, um die besprochenen Themen zu verarbeiten und den positiven Effekt auf das Gehirn zu verstärken.
  3. Gruppensport und soziale Integration: Gruppensportarten wie gemeinsames Laufen, Radfahren oder Mannschaftssportarten können zusätzlich zur Verbesserung der Stimmung auch soziale Unterstützung bieten. Der Austausch mit anderen, das Gefühl von Gemeinschaft und die Freude an gemeinsamen Zielen können dazu beitragen, dass sich Betroffene weniger isoliert fühlen und ihre psychische Belastung reduziert wird.
  4. Ziele setzen und Fortschritt verfolgen: Ein wichtiger Aspekt von Sport als Therapie ist das Setzen und Erreichen von Zielen. Dies kann helfen das Selbstbewusstsein und das Gefühl der Kontrolle zu steigern, was insbesondere bei Depressionen von grosser Bedeutung ist. Ein konkretes Ziel zu erreichen – sei es eine bestimmte Distanz zu laufen oder eine neue Sportart zu erlernen – wirkt wie eine positive Verstärkung für das Selbstwertgefühl.

Abschliessend lässt sich sagen: Der Weg zu einer gesünderen Psyche beginnt mit den ersten Schritten – sowohl körperlich als auch mental. Sport ist nicht nur eine Möglichkeit, den Körper zu stärken, sondern auch ein wirkungsvoller Verbündeter für die Gesundheit des Geistes. In Kombination mit einer Therapie bei Depressionen und Ängsten, beispielsweise in einer Fach- oder Privatklinik, kann regelmäßige Bewegung dazu beitragen mentale und körperliche Gesundheit miteinander zu verbinden.

Quellenangaben
  • Markser, V. Z. & Bär, K.-J. (2015). Sport- und Bewegungstherapie bei seelischen Erkrankungen: Forschungsstand und Praxisempfehlungen. Schattauer, Stuttgart.
  • Oertel, V. & Matura, S. (2017). Bewegung und Sport gegen Burnout, Depressionen und Ängste. Springer, Berlin.
Theresa Wald
Psychologin Theresa Wald
Das CLINICUM ALPINUM ist spezialisiert auf die Behandlung von Depressionen und affektiven Erkrankungen. Mit unserem Blog möchten wir über psychische Erkrankungen aufklären, über die Klinik und die Therapien informieren und einen Beitrag zur Entstigmatisierung leisten.